„Innerhalb der planetaren Welt gibt es nichts Wirtschaftlicheres als nachhaltiges Agieren“ – wir wissen das alle, aber wir wissen auch, wie schwierig und aufwändig es ist, in einer nicht-nachhaltigen Welt genau anders und gegensätzlich zu arbeiten. Grund genug, für den Arbeitskreis der Kunst- und Musikhochschulen, die Jahrestagung 2024 unter dieses Thema zu stellen. Denn die künstlerischen Hochschulen sind in einem ganz hohen Maße Veranstalterinnen von Events wie Konzerte, Ausstellungen und Talks.
Wenn es um Nachhaltigkeit im Eventbereich geht, ist Stefan Lohmann einer der gefragtesten Experten in Deutschland. Er ist Mitgründer der ‚6 Steps Initiative‘, die sich für eine nachhaltige Veranstaltungswirtschaft bis zum Jahr 2025 stark macht. Schon seit über 20 Jahren entwickelt er Konzepte für alle Arten von Events und ist außerdem Gründer von ‚Sustainable Event Solutions‘. In seinem Impulsvortrag gab er Einblicke in die Organisation von Großveranstaltungen. Dabei arbeitete er drei wichtige Punkte heraus, die „Low Hanging Fruits“ bei Events: „Bei Großveranstaltungen erzeugt die Anreise der Gäste rund 90% des CO2, wenn wir es schaffen, unsere Gäste weg vom Auto auf die Gleise zu bewegen, hat das einen riesen Impact“. Auch bei den Heiz- und Kühlsystemen ist Ökostrom ein wichtiger Faktor. Und nicht zuletzt beim Catering ist nachhaltig gut machbar: regional, bio und veggie. Lohmann stellte außerdem seinen ‚Sustainability Rider‘ vor, eine Checkliste, die in 13 Punkte alle Handlungsfelder von Veranstaltungen abfragt und im Netz frei zugänglich ist.
Den Blick rein in die Hochschullandschaft gewährte Julia Schomburg von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Seit 2022 ist sie Nachhaltigkeitsreferentin und leitet das Nachhaltigkeitsreferat als zentrale Stelle für die nachhaltige Transformation. Die Stabstelle ist dafür verantwortlich, eine ganzheitliche und strukturelle Verankerung der Prinzipien der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Sinne eines Whole Institution Approach (WIA) auszuarbeiten. Dabei orientiert sie sich an fünf Handlungsfeldern: Governance, Betrieb, Lehre, Forschung und Transfer. Ihr Ziel ist es, ihre Hochschule bis 2030 klimaneutral zu gestalten. Julia Schomburg kennt die Hürden im Arbeitsalltag: „Wir scheitern an der Struktur einer Landesinstitution.“ Aber sie zeigt auch, dass es viele Möglichkeiten gibt, die Kehrtwende anzuschieben, denn „Nachhaltigkeit ist weniger eine technische Herausforderung als eine Verhaltensänderung. Und ohne Kommunikation keine Verhaltensänderung.“ Kommunikation ist also der Schlüssel dafür: Wenn wir immer wieder über alle Kanäle unsere nachhaltigen Projekte kommunizieren und darüber informieren, wird Nachhaltigkeit fester Bestandteil auch in Hochschulen.
Über 40 Sprecher*innen aus Deutschland und der Schweiz sind an einen ganz besonderen Ort gereist, um sich zu den Best Practices der Nachhaltigkeit auszutauschen: nach Worpswede. Der malerische Ort in der Nähe von Bremen ist weltberühmt für seine Künstlerkolonie – eine künstlerische Hochschule als Gastgeberin der Tagung gibt es allerdings nicht. Gastgeberin war in diesem Jahr Susann Morgner, die seit einigen Jahren in Worpswede lebt und sich schnell in die lokale Kunstszene integrierte. Ein Herzensprojekt für sie, den Kommunikationsexpet*innen zu zeigen, wie Worpswede auch weiterhin, über 100 Jahre nach Paula Modersohn-Becker, strotzt vor Kreativität. Es war nicht anders zu erwarten: ein perfekter Ort für eine kleine Tagung. Nach dem Hauptprogramm blieb auch Zeit, einige Macher*innen von Kunst der Gegenwart zu treffen: Philine und Biema Griem zum Beispiel, sie Kulturwissenschaftlerin, er Künstler, die die Künstlerhäuser leiten und sie mit Stipendiatenprogrammen und Social Art-Projekten beleben. Oder Hanna-Lena Autzen und ihre Kolleg*innen vom Verein Haus 6, die eben dieses historische Gebäude, eine ehemalige Bäckerei, vor dem Abriss bewahren und es zum Treffpunkt für Worpsweder*innen machen. Im Museum „Große Kunstschau“ gab es schlussendlich auch noch einen Sneak Peek der Jubiläumsausstellung „Bernhard Hoetger. Zwischen den Welten“ zum 150. Geburtstags des Bildhauers, Kunsthandwerkers, Architekten und Malers, der in Worpswede lebte und wirkte.
Zeit nahmen sich die Sprecher*innen ebenfalls für den informellen Austausch zu aktuellen und auch akuten Themen: politische Kampagnen aus den Hochschulen heraus; Auswirkungen des Nahostkonflikts in der Studierendenschaft; der Umgang mit der Neutralität einer Landesinstitution – allesamt herausfordernde Kommunikationsaufgaben im Hochschulalltag. Umso besser, diesen Rahmen auch einmal zu verlassen, mit Kolleginnen und Kollegen und viel Kunst und Kultur in den Austausch zu gehen und gestärkt neue Handlungsfelder aufzudecken.